Leseprobe: „Nur ein Jahr“

Winter 2000/2001:

Von der Theorie zur Praxis

Wer von sich behauptet, dass sein 30. Geburtstag ein Tag wie jeder andere sei, der lügt! Denn von da an gehört man zum alten Eisen. Eigentlich ist man schon so gut wie tot. Diese Gedanken kreisten wie Flugzeuge durch meinen Schädel, während der Rest meines Körpers versuchte, sich die dem künftigen Alter angemessene Dosis Schlaf zu ergattern. Natürlich klappte das nicht. Stattdessen hielt ich meinen dahinsiechenden Körper so gut es eben ging mit Herumwälzen im Bett fit, so wie ich es auch dann immer tat, wenn ich Stress im Verlag hatte. Dass ich am darauffolgenden Tag, besagtem 30. Geburtstag, wie gerädert aufwachte, war deshalb auch keine Überraschung für mich.

Es war kurz nach neun, als ich mit halb geöffneten Augen den Wecker erspähte. Ich hatte verschlafen. Verdammt! Mein neues Lebensjahr fing also eher suboptimal an. Um es positiv zu sehen, beschloss ich, mein Verschlafen als Wink des Schicksals zu betrachten und diesen Tag krankzufeiern. Meine Kollegen machten es mir schließlich täglich vor. Wahrscheinlich hatte das Phänomen der Ein-Tages-Grippe in unserem Verlagshaus seinen Ursprung.

Ich rief meinen Chef an, der glücklicherweise nicht zu sprechen war, und rotzte stattdessen seiner Assistentin etwas von unerklärlichen Hustenanfällen und entsetzlich triefender Nase ins Ohr. Da ich wusste, dass ich nur unter einem Geburtstagsblues litt, versicherte ich der mitfühlenden Dame am Telefon, dass es mir morgen wieder besser gehen würde. Nach dem Telefonat ging es mir erst einmal schlechter.

Ich beschloss, den Tag im Bett zu verbringen. Ein Versuch, die wegen der Krankmeldung aufkommenden Schuldgefühle zu unterdrücken. Nach ein paar Stunden begann mein Rücken die ersten Einwände zu erheben. Ich fragte mich, wie es sich anfühlte, wenn man alt und bettlägerig war. Gegen Mittag wurde mir langweilig.

Schlurfend ging ich ins Bad, um mir von meinem Spiegel die morgendliche Dosis Wahrheit abzuholen. Ich war eben keine 20 mehr. Die kleinen Fältchen, die meine Augen gestern noch geziert hatten, hatten sich über Nacht in wahre Canyons verwandelt. Dort versteckte sich wahrscheinlich auch die 30-köpfige Blaskapelle, die in meinem Kopf unentwegt „Happy Birthday“ vor sich hindudelte. Dabei hatte ich gestern doch nur zwei Gläser Chianti getrunken. Aber man durfte eben keinem billigen Italiener mit Schraubverschluss trauen.

Wenigstens hatten sich meine strahlend blauen Augen nicht in dunkle, schwarze Höhlen verwandelt. Die Kontrolle meiner weißen Härchen, die sich in meiner braunen Mähne wie kleine drahtige Antennen ihren Weg an die Oberfläche suchten, zeigte glücklicherweise auch keine nennenswerte Vermehrung an. Sie waren immer noch in der Unterzahl. Vielleicht musste ich mir doch noch keinen Platz in einem Altenheim suchen. In diesen Momenten hasste ich die Schönheitsindustrie, die uns Frauen das Gefühl permanenter Unzulänglichkeit einimpfte.

Danach schlurfte ich in die Küche, setzte eine Kanne Kaffee auf und holte mir ein großes Stück Papier aus meinem Arbeitszimmer.

Ein großes Stück Papier war für mich überlebenswichtig. Immer, wenn es in meinem Leben um wichtige Entscheidungen oder bahnbrechende Veränderungen ging, machte ich eine Liste. Mal war es das Auflisten der Vor- und Nachtteile einer Geschirrspülmaschine, was mir Ende vergangenen Jahres ein neues Wunderwerk der Technik in meiner Wohnung beschert hatte und das ich im letzten halben Jahr genau drei Mal benutzte. Das nächste Mal analysierte ich mit Hilfe einer solchen Liste die Wahl einer Sportart, die zu mir passen könnte, was mir eine zweijährige Mitgliedschaft in einem Fitnessklub einbrachte, den ich scheinbar nur an den Tagen besuchte, an denen auch der Geschirrspüler lief.

Wenn es jetzt so scheint, dass die Listen nicht zu wirklich sinnvollen Ergebnissen führten, muss ich eingestehen, dass dem leider so war. Dennoch schienen sie damals unentbehrlich für alle Entscheidungen in meinem Leben zu sein. Sie waren wie ein Strohhalm, der mich im Meer der ungetroffenen Entscheidungen rettete. Zumindest klammerte ich mich an ihn, ob er wollte oder nicht.

Die Kaffeemaschine gurgelte. Zeit, wach zu werden. Ich nahm mir meinen Lieblingsbecher aus dem Schrank, füllte ihn mit dem dampfenden Getränk und nahm am Küchentisch Platz. Vor mir lag das weiße Blatt. Ganz oben notierte ich in großen Buchstaben: „M E I N   L E B E N“ und darunter „Pro“ und „Contra“

Was hatte ich in den letzten 30 Jahren erreicht?

Ich war eine Frau, seit heute im mittleren Alter, die in ihrem Job in einer Sackgasse steckte. Gut, ich hatte mein Studium mit Auszeichnung abgeschlossen. Aber was hatte mir das gebracht? Niemand interessierte sich mehr für dieses Diplom. Mein vorgesetzter Redakteur hatte sogar noch nie eine Hochschule von innen gesehen und trotzdem wurde ihm die Macht zuteil, mir mein Leben täglich zur Hölle zu machen. Mir blieb nichts anderes übrig, als mir besser früher als später einen neuen Job zu suchen. Aber von ehemaligen Kommilitoninnen wusste ich, dass es in anderen Verlagen ähnlich aussah. Die obere Etage bestand fast überall aus einem eingeschworenen Kreis alter Männer, die es liebten, den Nachwuchs zu schikanieren.

Das Telefon klingelte. Ich setzte meine verrotzte Stimme auf, in Erwartung, dass mein Boss sich nach meinem Wohlbefinden erkundigen wollte. Solche Kontrollanrufe machte er gerne bei Spontangrippen.

„Ja“, röchelte ich in den Hörer.

Stille.

„Hallo?“, grunzte ich ungeduldig hinterher.

„Karen, bist du das?“

Das war eindeutig nicht mein Chef. Ich räusperte mich, um meine normale Stimme an die Oberfläche zu zaubern.

„Ja, ich bin es.“

„Ich habe schon gehört, dass du krank bist. Das haben die im Verlag gesagt. Ist es was Schlimmes?“

Monas Stimme klang besorgt.

„Nur so ein Ein-Tages-Virus“, erklärte ich.

„Ach so. Die Hauke-nitis?“

Damit spielte Mona auf meinen Kollegen an, der mit seinen Ein-Tages-Erkrankungen den Eintrag ins Guiness-Buch der Weltrekorde anstrebte. Wahrscheinlich stand er sogar schon drin.

„So in der Art“, bestätigte ich, ohne auf die wirkliche Ursache meines Unwohlseins einzugehen.

„Ach ja. Alles Gute zum Geburtstag“, flötete Mona in den Hörer.

„Danke“, murmelte ich, obwohl ich lieber nicht daran erinnert worden wäre.

„Du weißt doch, dass es für dich von jetzt an wahrscheinlicher ist, von einem Auto überfahren zu werden“, aber weiter ließ ich meine Freundin nicht sprechen.

„Danke, Mona“, unterbrach ich sie und fragte mich, ob am anderen Ende der Leitung tatsächlich meine Freundin saß.

„Du weißt doch, wie das gemeint war, oder?“

Natürlich wusste ich das. Mona war schließlich meine beste Freundin. Wir kannten uns seit unserer Schulzeit. Sie hatte diese Art Humor, den nur Eingeweihte verstanden und der Außenstehenden sehr befremdlich erschien. Dennoch war sie der herzlichste Mensch, den ich kannte.

Wir verabredeten uns für den Abend bei mir. Mona bestand darauf, meinen Geburtstag zu feiern. Und ich bestand darauf, nicht das Haus zu verlassen. Schließlich war ich ja krank.

Nachdem wir das Gespräch beendet hatten, schrieb ich auf die Kontra-Seite meiner Liste „Single“ und mit einem Lächeln auf die Pro-Seite „Auto überfährt mich“. Ich nahm einen Schluck Kaffee, der mittlerweile kalt war, und strich die beiden letzten Einträge wieder durch.

In einer Beziehung zu sein oder nicht, war nicht mein Problem. Ich fühlte mich nicht einsam, sondern eher verloren. Mein Leben schien vorprogrammiert. Wenn ich nicht aktiv wurde, würde ich mich aufgrund meiner Faulheit in diesen Job vergraben, der mich nicht glücklich machte, sondern mich immer wieder daran erinnern würde, dass dies mit 30 Jahren bereits die Endstation in meinem Leben war. Was sollte sich noch verändern? Vielleicht würde ich mal eine Gehaltserhöhung bekommen, vielleicht aber auch nicht. Vielleicht würde ich eine kleine Beförderung erhalten, vielleicht aber auch nicht. Vielleicht würden sie unser Weihnachtsgeld wieder einführen, aber auch dafür standen die Zeichen auf unwahrscheinlich.

Die Hoffnung auf eine berufliche Veränderung ging gegen Null. Mein Leben sah zum jetzigen Zeitpunkt so aus, als ob ich nur noch die Tage auf dem Kalender abstreichen musste, ehe ich in Rente ging und kurz darauf der Sargdeckel über mir zuklappte. Das machte mir Angst. Das machte mir sogar höllische Angst. Sollte das etwa mein Leben gewesen sein?

Ich nahm einen Becher Strawberry-Cheesecake-Eiscreme aus dem Gefrierfach und begann damit, den Inhalt zu vernichten. Neben dem Nicht-Schlafen-Können waren unkontrollierte Fressattacken eine zweite Unart von mir, wenn in meinem Leben irgendetwas nicht stimmte.


Mona kam wie verabredet am frühen Abend. Sie hatte eine Flasche Rotwein besorgt, einen reifen Spanier mit echtem Korken, und als ergänzende Nahrungsmittel eine Familientüte Paprikachips und Schokolade in den unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen. Um mein Geburtstagsbuffet ein wenig aufzupeppen, bestellte ich noch eine Pizza und einen Alibisalat, der seinen Lebensabend wahrscheinlich in meinem Kühlschrank fristen würde.

In der Küche lag immer noch meine Liste, vollgekritzelt mit Kommentaren zu meinem Leben und Zeichnungen von Galgenmännchen.

„Hattest du bisher einen schönen Geburtstag?“, fragte Mona, während sie die Kritzeleien begutachtete.

Ich warf den leeren Becher Eiscreme weg, der immer noch neben dem Zettel auf dem Küchentisch stand.

„Super“, antwortete ich.

Mona sah mich an. Sie kannte mich einfach zu gut. Mit einem „Super“ kam ich bei ihr nicht davon.

„Okay. Was ist los?“

Wie ein nasser Sack ließ ich mich auf einen der Stühle fallen. Was hatte ich eigentlich? Ich wollte schreien, weglaufen, alles hinter mir lassen, meinen Alltag zu einem Abenteuer machen und mich einfach wieder lebendig fühlen. Aber wie sollte ich Mona meine Überlegungen in Kürze erklären? Wahrscheinlich würde sie mich für komplett durchgeknallt halten. Andererseits sprach ich hier mit Mona. Der Mona, die mehrere Wochen den Jakobsweg abgelaufen war, der Mona, die ein halbes Jahr in einem thailändischen Kloster gelebt hatte, um ihre Mitte zu finden, und der Mona, die ihr Jurastudium für eine Karriere bei einer Fastfoodkette aufgegeben hatte. Die Durchgeknallte in meiner Küche war mit Sicherheit nicht ich.

„Ich will aussteigen“, sagte ich auf den Punkt gebracht.

In Zeitlupentempo fiel Monas Kinnlade nach unten. Gleichzeitig flackerte ein Funkeln in ihren Augen auf, das ich das letzte Mal bei ihr gesehen hatte, als sie aus ihrer mehrmonatigen vegetarischen Askese in Thailand zurückgekehrt war und sie das erste Mal wieder in einen riesigen Hamburger mit doppelt Käse und einer riesigen Portion Speck gebissen hatte.

Mona schob aufgeregt den zweiten Stuhl auf der anderen Seite des Tisches zurecht und nahm darauf Platz. Was erwartete mich jetzt?

„Wann starten wir?“

Ich sah sie mehrere Sekunden lang an.

„Wie jetzt?“

„Du willst aussteigen! Klar doch, dass ich dabei mitmache!“

Gut, damit war endgültig geklärt, dass nicht ich die Verrückte von uns beiden war. Ich hatte wenigstens den Nachmittag Zeit gehabt, mir die Sache mit dem Aussteigen zu überlegen. Dabei ging es nur um die Theorie. Monas Reaktion brachte dagegen eine ganz neue Dimension mit ins Spiel: die praktische Umsetzung. Wollte ich tatsächlich aussteigen oder war das nur eine hilflose Zusammenfassung meiner allgemeinen Gemütslage?

„Ich würde ja gerne nach Portugal gehen“, erklärte Mona, die bereits auf der Rückseite meiner Lebensliste eine Aussteigerliste begann. Ich nickte stumm. Wie konnte ich die nahende Katastrophe noch aufhalten?

„Es war doch nur eine Idee“, begann ich.

„Nein, nein, meine Liebe. So kommst du mir nicht davon.“

Sie drehte den Zettel wieder auf die Seite um, die meine geistigen Ergüsse des Nachmittags offenbarte.

„Vom Auto überfahren auf der Pro-Seite?“, fragte Mona.

„Ich habe es auch wieder durchgestrichen“, rechtfertigte ich mich.

„Kollegen nerven, Chef ist ein Arsch, schlaflose Nächte, zehn Pfund zugenommen, soll ich fortfahren?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Die Kontra-Seite ist randvoll. Und auf der anderen Seite steht Diplom, Job, Wohnung.“

Jetzt schüttelte Mona den Kopf.

„Da sollte stehen ‘bin glücklich, ruhe in mir, das Leben ist ein Fest’ und so weiter.“

Sie hatte recht. Natürlich hatte sie recht. Aber aussteigen war doch eine leicht übertriebene Maßnahme, um meine kurzfristige Geburtstagsdepression zu besänftigen. Ich grübelte.

Es war nicht nur dieser Tag, an dem mich das Gefühl verfolgte, mein Leben zu verpassen. Wenn ich mich genau erinnerte, hatte es bereits begonnen, kurz nachdem ich meine Stelle als Journalistin in diesem Verlag ergattert hatte. Ich war vom ersten Tag an unglücklich dort gewesen. Meine Eltern hatten gesagt, dass das immer so sei, wenn man neu im Berufsleben anfängt. Ich müsse nur durchhalten. Mittlerweile hatte ich fünf Jahre durchgehalten. Und es wurde nicht besser. Das Gegenteil war der Fall.

Während ich meinen Gedanken nachhing, sagte Mona kein Wort. Sie sah mich nur an. Erwartungsvoll. Vielleicht auch ein wenig neugierig.

„Ich weiß nicht, ob ich Hamburg den Rücken kehren kann. Meinen Job kündigen, das kriege ich hin. Vielleicht. Aber das Land verlassen?“

„Warum nicht?“

„Ich kann keine Sprachen. Außer Englisch und Latein. Aber nach England will ich nicht.“

„Wir müssen nicht nach England!“

Ich konnte mein Schmunzeln nicht mehr unterdrücken. Mona meinte es tatsächlich ernst.

„Italien?“, fragte Mona.

„Nein“, sagte ich sofort. Ich musste an den billigen Chianti von gestern Abend denken, der mich den ganzen Tag über mit Kopfschmerzen verfolgt hatte.

„Spanien“, sagte ich, während ich den mitgebrachten Rioja von Mona kostete. „Spanien wäre ganz gut.“

In diesem Moment klingelte es an der Tür. Die Pizza kam. Als ich mit dem großen Karton in die Küche zurückkehrte, hatte Mona schon gedeckt. Ich warf die große Pappschachtel auf die Aussteigerliste, die Mona an den Rand des Tisches geschoben hatte, und stellte den Salat zwischen uns.

Mona öffnete den Karton. Zum Vorschein kam eine dampfende Schinken-Salami-Pizza. Meine Freundin schob mir ein riesiges Stück auf den Teller, ehe sie sich selbst eins auftat.

„Bist du sicher, dass du nicht nach Italien willst?“, fragte sie nach dem ersten Bissen von der Pizza.

„Ja“, murrte ich. „In Italien gibt es die Mafia und korrupte Politiker. Beides Gründe, um nicht dorthin zu gehen.“

„Okay, dann eben Spanien“, sagte Mona, die wieder auf einem neuen Bissen Pizza herumkaute.

Ich goss uns Wein nach.

„Okay. Mal angenommen, wir gehen wirklich nach Spanien. Was machen wir da? Ich meine, womit willst du dort Geld verdienen?“

Mona überlegte. Ich bohrte weiter.

„Kannst du wenigstens Spanisch?“

„Nö“, antwortete Mona, der das wenig auszumachen schien.

„Vielleicht ist das Ganze doch nur eine Schnapsidee“, sagte ich resigniert.

„Was soll das schon wieder? Wenn wir kein Spanisch können, dann lernen wir es eben. Wir können uns ein paar Monate Zeit nehmen mit dem Aussteigen. Bis dahin haben wir beide Spanisch drauf. Glaub’ mir.“

Ich war hin- und hergerissen. Auf der einen Seite lockte ein abenteuerreiches neues Leben in Spanien, auf der anderen Seite zehrte die soziale Sicherheit Deutschlands an mir.

„Und wenn wir es dort nicht schaffen?“

„Dann kommen wir einfach zurück.“

Monas Klarheit ließ mich verzweifeln.

„Gut“, sagte ich. „Wir gehen erst einmal nur für ein Jahr nach Spanien. In der Zeit vermieten wir unsere Wohnungen unter. Und wenn es nicht so klappt, wie wir es uns vorgestellt haben, dann kommen wir zurück.

Mona reichte mir die Hand: „Deal.“

Ich schlug ein.

„Hast du eigentlich irgendwelche Geldreserven?“, fragte Mona.

Ich musste passen. Dafür war mein drittes Laster verantwortlich, das mir zur Stressbewältigung diente: Geldausgeben. In meinem Job verdiente ich zwar nicht schlecht, aber nach jedem besonders heftigen Tag im Büro füllte sich mein Kleiderschrank um ein neues Stück. Oder mein CD-Regal. Oder einfach nur meine Wohnung mit einem Ding, von dem ich meinte, dass ich es brauchte. Die meisten Sachen lagen dann wie mein Geschirrspüler ungenutzt herum. Entsprechend leer war mein Konto.

„Und du?“

Mona verzog ihr Gesicht. Das genügte als Antwort. Ich schüttelte wieder den Kopf. Unser Plan war so was von durchgeknallt.

„Wir können uns ein altes Wohnmobil kaufen. Darin leben wir erst einmal, bis wir einen Job da unten haben. Das geht schon“, schlug Mona vor.

Dieser Vorschlag klang gar nicht so schlecht. Irgendwo hatte ich ein kleines Aktiendepot liegen, das noch nicht ganz dem bodenlosen Fall des neuen Marktes zum Opfer gefallen war. Das Geld für ein altes Wohnmobil konnten wir damit wahrscheinlich aufbringen.

Ich hatte unterdessen das dritte Glas Rioja getrunken, so dass mir die Irrationalität unseres Planes gar nichts mehr ausmachte. Stattdessen wuchs das kleine Pflänzchen der Abenteuerlust in mir. Es war ein gutes Gefühl. Es war ein starkes Gefühl. Ich wusste, dass es richtig war, was wir da planten. Und ich ärgerte mich über die Angst vor dem Unbekannten, die immer wieder versuchte, sich in meine Gedanken zu drängen.

Ich wollte mein Leben ändern. Ich musste es ändern. Warum nicht an meinem 30. Geburtstag? Es war an der Zeit, eine neue Richtung einzuschlagen.

Damit nahm dieser Tag doch noch einen viel besseren Verlauf, als ich es 24 Stunden zuvor noch gedacht hatte. In dieser Nacht verbrachte ich keine schlaflose Minute damit, darüber nachzudenken, wie sinnlos mein Leben war. Stattdessen lag ich mit den Gedanken wach, wie wir zwei in Spanien Geld verdienen könnten.


„Würstchen“, röchelte eine Stimme aus dem Telefonhörer.

Ich ärgerte mich. Warum war ich vor dem Wachwerden ans Telefon gegangen? Um diese Zeit gab es nur zwei Arten von Anrufern. Wenn man Glück hatte, war die Polizei oder ein Krankenhaus dran. Wenn man Pech hatte, hechelte ein obszöner Spinner in der Leitung. Offensichtlich hatte ich Pech.

„Würstchen“, wiederholte die Stimme.

„Hol’ dir selbst einen runter“, brummte ich und wollte schon den Hörer zurück auf die Gabel knallen, als ich plötzlich meinen Namen hörte.

„Karen?“

Es dauerte einige Sekunden, ehe ich die Stimme eingeordnet hatte.

„Würstchen?“, fragte ich schlaftrunken.

„Bist du schon wach?“

Ich sah auf den Wecker. Es war Viertel nach fünf.

„Wach würde ich es nicht nennen“, antwortete ich Mona.

„Macht nichts“, sprudelte es aus dem Hörer. „Bleib einfach liegen und hör zu.“

Nichts anderes hatte ich vor.

„Wir wollten uns doch Gedanken machen, womit wir in Spanien Geld verdienen können.“

Ich erinnerte mich vage. Wir wollten nach Spanien oder so.

„Und gerade hatte ich die Idee. Die ist so was von genial.“

„Würstchen“, grummelte ich.

„Richtig!“

Mona wirkte wie ein Schmetterling auf Ecstasy.

„Wir verkaufen Würstchen!“

„In Spanien?“

„Genau!“

Ich schüttelte den Kopf.

„Mona“, begann ich vorsichtig. „Ich glaube nicht, dass die Spanier auf unsere Würstchen gewartet haben. Die Spanier haben selbst genug leckere Sachen zu essen.“

„Aber nicht unsere Würstchen“, bestand meine Freundin.

„Okay, Mona. Nehmen wir mal an, dass die Spanier wirklich auf deutsche Würstchen stehen. Wo sollen wir die in Spanien herbekommen?“

Aber statt des erhofften Schweigens hörte ich weiter Monas Stimme.

„Dosen! Wir machen Würstchen aus der Dose warm. Dafür braucht man noch nicht mal einen Kühlschrank. Und die können wir palettenweise mitnehmen.“

Meine Kräfte schwanden. Ich brauchte dringend einen Kaffee. Mona schlug vor, dass ich eine ganze Kanne aufsetzen sollte. Sie war schon so gut wie auf dem Weg.

Eine halbe Stunde später stand Mona mit einer Tüte warmer Brötchen und einer Zeitung unter dem Arm in meiner Küche. Nur der Geruch des Kaffees überlagerte den sanften Duft der frischen Backwaren. Der Geruch des Kaffees und Monas Stimme.

„Das funktioniert hundertprozentig. Ich habe heute morgen schon Mails an unsere EU-Abgeordneten geschickt. Wegen spanischer Gewerbescheine und ob wir ein Gesundheitszeugnis brauchen. All’ so was eben.“

Schweigend saß ich am Tisch. Es gab kein Zurück mehr. Wir würden nach Spanien gehen. Allmählich gewöhnte ich mich an den Gedanken.

Unterdessen hatte Mona die Zeitung aufgeschlagen.

„Hier. Wohnmobile.“

Meine Freundin schob mir die Anzeigen rüber.

„Die fangen schon bei 1.000 Mark an. Aber wir müssen schon ein wenig mehr ausgeben. Wir brauchen ein Bad und eine Anhängerkupplung. Für den Anhänger.“

Mona sah mich an.

„Der Würstchenverkauf“, sagte ich als Zeichen, dass ich ihren Gedanken folgen konnte.

„Richtig.“

Mona blätterte zwei Seiten weiter.

„Davon gibt es auch welche. Nicht so viele. Die sind auch teurer, weil die mit Standlizenzen verkauft werden. Aber der hier zum Beispiel.“

Erneut schob mir Mona die Zeitung unter die Nase. Dieses Mal zeigte sie auf eine Anzeige, die mit einem roten Kreis umkringelt war.

„Wann hast du das denn gemacht?“

„Heute Morgen“, antwortete Mona. „Wieso?“

„Ach nichts.“

Bei so viel Aktionismus blieb mir nichts anderes übrig, als mich von Monas Begeisterung mitreißen zu lassen. Wir durchforsteten den Anzeigendschungel nach tauglichen Fahrzeugen, die wir in den kommenden Tagen besichtigen wollten. Während wir uns die knusprigen Brötchen mit Akazienhonig schmecken ließen, stellten wir einen Zeitrahmen auf, in dem wir die Vorbereitungen für unseren einjährigen Spanientrip abgeschlossen haben wollten. Den 1. Mai 2001 hielten wir als Abreisedatum fest. Damit blieben uns noch vier Monate. Der Countdown lief.


Noch am selben Tag machte Mona einen Besichtigungstermin für ein Wohnmobil aus. Dabei handelte es sich um einen 21 Jahre alten, selbst ausgebauten VW-Bus, der nur 1.800 Mark kosten sollte. Laut Auskunft des Verkäufers war der Bus mit einer Truma-Heizung ausgestattet, hatte ein Westfalia-Dach und einen Kühlschrank der Marke Electrolux. Uns Wohnmobillaien sagte das nichts. Stattdessen fragte Mona nach der Farbe des Busses und ob es auch einen großen Spiegel im Innenraum gab.

Letztendlich war der Preis das ausschlaggebende Argument, sich den Bus genauer anzuschauen. Unser Budget sah nicht mehr als 2.000 Mark für ein Wohnmobil vor. Wir hatten also keine große Auswahl.

Mir war ein wenig mulmig, als wir gegen halb acht von der Autobahn abfuhren. Das Wohnmobil sollte auf einem Bauernhof kurz hinter Pinneberg stehen. Weder Mona noch ich hatten Ahnung von Motoren geschweige denn von der Funktionalität eines Wohnmobils. Die Straße wurde immer dunkler, der Weg immer schmaler, und ich hatte das Gefühl, dass uns das Ende der Welt gleich mit einem unendlich tiefen Abgrund begrüßen würde.

Gegen acht Uhr kamen wir an. Eine kleine Laterne warf einen spärlichen Lichtstrahl auf den Hof, in dessen Mitte ein rostroter Bus parkte. Mein Mini wirkte winzig gegen den riesigen Koloss. Während ich mich umsah, wehte ein beißender Geruch vom Stall zu uns herüber. Ich mochte Kühe auf Postkarten lieber, dachte ich gerade, als sich plötzlich die Tür des Wohnhauses öffnete. Ein junger Mann trat heraus.

„Schön, dass ihr den Weg hierher gefunden habt“, begrüßte er uns. Seine offene Art war so erfrischend wie die Januarluft. Ich ging ihm entgegen.

„Peter“, sagte er knapp.

Mit einem knackigen „Karen“ versuchte ich mich den Gepflogenheiten vor Ort anzupassen, aber das „Baum“ purzelte von alleine hinterher. Peter nickte.

„Das ist Mona“, erklärte ich. Meine Freundin war schon dabei, das Wohnmobil zu umkreisen. Eine schlaffe Handbewegung über ihrem Kopf zeigte, dass sie unser Gespräch verfolgte.

„Das ist er also“, stellte Mona fest, nachdem sie ihre Runde beendet hatte.

„Ja. Das ist das gute Stück. Wie ich am Telefon schon sagte, ist er 21 Jahre alt. Er hat also entsprechend Rost. Das ist auch im letzten TÜV-Bericht erwähnt. Ansonsten ist er in einem Top-Zustand.“

Peter ging zum Handschuhfach und holte einen Haufen Papiere heraus. Er suchte flink die Zettel durch, fand den gewünschten Bericht der letzten HU und gab ihn mir.

„Mein Onkel hat ihn vor einigen Jahren selbst ausgebaut. Da funktioniert alles drin, ich kann euch das gerne vorführen. Heute Nachmittag habe ich extra noch einmal die Gasflasche auffüllen lassen.“

Ich überflog den technischen Bericht der Hauptuntersuchung. Peter hatte nicht gelogen. Der Wagen schien in einem guten Zustand zu sein. Nun übergab er mir den Rest des Papierberges: „Da sind alle Gebrauchsanweisungen drin. Auch die Gasprüfung. Die habe ich vorigen Winter noch gemacht. Die Anleitungen für die Elektrik sind von meinem Onkel gezeichnet worden. Da sollte jeder Elektriker mit zurechtkommen.“

Obwohl der Stapel mit Gebrauchsanweisungen, Berichten und Quittungen recht wild wirkte und ich mich nur mit großer Mühe darin zurechtfand, schien nichts zu fehlen. Peter erklärte mir jedes Papier, oft nur oberflächlich, aber jeder Fetzen, so alt er auch aussah, hatte eine Bedeutung. Danach stopfte er die bunte Sammlung zurück in die rote Plastikhülle, die er kurz zuvor auch noch aus dem Handschuhfach herausgeholt hatte.

„Wollt ihr euch den Wagen erst einmal von innen angucken oder starten wir mit einer Probefahrt?“

Mona und ich sahen uns an. Ihren Gesichtsausdruck konnte ich leicht deuten. Offensichtlich erging es ihr wie mir. „Ich bin noch nie so einen riesigen Bus gefahren. Einen kleinen Transporter, ja, aber das hier ist ein richtiges Ungetüm.“

„Keine Angst. Der Bus kommt euch jetzt nur so groß vor.“ Er reichte uns den Schlüssel abwechselnd hin. „Wer will nun?“

Glücklicherweise mischte sich Mona ein. „Kannst du nicht fahren? Wir sehen ja, ob er anspringt und wie die Gänge reingehen.“

Sie schaute zu mir rüber. Ich nickte. „Ja, wir setzen uns einfach mit rein. Kannst du kurz vorher mal die Motorhaube aufmachen?“

„Ein Teil des Motors befindet sich im Fahrerhäuschen. Dazu baue ich schnell den Beifahrersitz aus.“

Mit wenigen geschickten Handgriffen entfernte Peter den Sitz und stellte die Abdeckung des Motors neben den Wagen.

„Der Motor ist im Fahrerhaus?“, fragte Mona ungläubig.

„Wie gesagt, nur ein Teil. Der Rest ist draußen.“ Peter ging zur Fahrerseite und öffnete die vordere Motorhaube.

„Das ist der Rest. Die normalen Wartungsarbeiten, wie Kühlflüssigkeit nachfüllen, Ölstand messen oder Wasser für die Scheibenwischer einfüllen, das macht man von hier vorne.“

Er hätte an dieser Stelle auch Shakespeare rezitieren können. Von dem hatte ich genauso wenig Ahnung. Wozu gab es Werkstätten? Aber natürlich wollte ich mir meine Unkenntnis nicht anmerken lassen.

„Sieht nicht so aus, als ob er viel Öl verliert“, stellte ich vermeintlich fachmännisch fest und versuchte dabei, mit Peter Blickkontakt herzustellen. Er wirkte entspannt, als er antwortete.

„Er ist halt alt. Ich gieße etwa alle tausend Kilometer was nach. Vielleicht einen halben Liter.“

War das viel? Ich hatte keine Ahnung.

Peter öffnete die vordere Motorhaube und zeigte den Deckel für das Motoröl sowie den dazugehörigen Messstab.

„Was habt ihr mit dem Wagen vor?“, fragte er, nachdem der Sitz wieder eingebaut war und er die Probefahrt vorbereitete.

„Wir wandern nach Spanien aus“, erklärte Mona.

„Er sollte also zumindest den Weg bis nach Spanien durchhalten. Danach ist er eher als Haus geplant und weniger als Auto“, ergänzte ich.

Peter lächelte: „Das sollte er schaffen. Ich kann euch im Preis noch ein wenig entgegenkommen.“

Im Preis entgegenkommen?, schallte es durch meinen Kopf. „Warum willst du im Preis runtergehen?“

Mit einem Seufzer entfuhr Peter die Antwort: „Der Wagen ist schon alt, und um diese Jahreszeit finde ich nicht so schnell einen Käufer. Ich habe den Bus schon seit einigen Wochen in der Zeitung inseriert. Die Leute rufen zwar an, aber ihr seid die Ersten, die sich den Wagen anschauen. Scheinbar wohne ich zu weit draußen.“ Da hatte er nicht ganz unrecht. „Außerdem brauche ich das Geld jetzt und nicht erst in einem halben Jahr, wenn die Caravansaison wieder losgeht.“

Peter startete den Motor und aus dem Auspuff kam eine riesige schwarze Rauchwolke. Augenblicklich wurde die ländliche Stille durch ohrenbetäubendes Motorenknattern verdrängt.

„Anspringen tut er ja ohne Probleme“, schrie ich über den Lärm zu meiner Freundin rüber. Mona schien mich nicht zu hören. Sie schwebte lächelnd über dem Lärm. War es Zuversicht, was sie lächeln ließ? Oder war es das Lächeln freudiger Erwartung, das Kinder einen Tag vor Weihnachten aufsetzten?

Während ich noch über den Gemütszustand von Mona sinnierte, setzte Peter bereits den Bus in Bewegung. Nach einer kurzen Probefahrt zeigte uns der Verkäufer den Innenausbau und erklärte uns Wohnmobillaien alle Funktionen ganz ausführlich.

„Überlegt es euch. Natürlich würde ich ihn lieber behalten. Aber wenn ich ihn schon verkaufen muss, dann gerne an euch.“ Er machte eine kurze Pause. Ein gezwungenes Lächeln drängte sich auf sein Gesicht, dabei schaute er wehmütig auf den Bus. Schnell wandte Peter seinen Blick wieder uns zu.

„Wir haben über den Preis gesprochen und ich bringe den Wagen auch für den Vertragsabschluß vorbei. Ruft mich an, sobald ihr euch entschieden habt. Okay?“

Wir verabschiedeten uns und fuhren vom Hof.

„Was meinst du, Mona?“

„Wir kaufen ihn.“

„Ja, das sehe ich genauso.“

„Der Wagen ist perfekt für uns.“

„Perfekt? Der Wagen ist über zwanzig Jahre alt. Und wir haben ihn nachts besichtigt. Keine Ahnung, wie viel Rost das Ding wirklich hat.“

„Er ist perfekt. Glaube mir, Karen. Wir können uns gar nichts anderes leisten. Außerdem hat Peter einen ehrlichen Eindruck gemacht, oder nicht? Der Wagen hat eine Anhängerkupplung und im Innenausbau hat alles funktioniert. Wir können mit unserem Etat leider nicht allzu wählerisch sein.“

„Hast du die Farbe des Teppichs gesehen? Ocker oder so. Die haben das ganze Wohnmobil damit bezogen, sogar die Wände.“ Allein der Gedanke daran bereitete mir eine Gänsehaut.

„Es hätte schlimmer kommen können. Ein paar Vorhänge in orange, ein neuer blauer Teppich, vielleicht aus PVC. Dann sieht das Ganze schon viel wohnlicher aus.“

„Rufst du ihn morgen an?“

„Ja, morgen. Dann sind wir schon bald stolze Besitzerinnen eines Wohnmobils.“ Mona strahlte. Das erste Etappenziel war erreicht. Glücklich fuhren wir an diesem Abend über die Autobahn den hellen Lichtern der Großstadt entgegen.


Wie verabredet brachte Peter am darauffolgenden Wochenende das Wohnmobil vorbei. Zwei Tage später meldeten wir den Bus auf Monas Namen um. Da die mittleren Buschstaben des Nummernschildes „WD“ waren, tauften wir unseren neuen Bus noch am selben Tag auf den Namen Woody.

Ähnlich gut lief es mit den Kündigungen unserer Jobs, der Suche nach einer günstigen Auslandskrankenversicherung, der Beschaffung eines Reisegewerbescheins sowie eines Gesund­heitszeugnisses und der Suche nach Untermietern für unsere Wohnungen. Weniger gut lief dagegen die Suche nach einem geeigneten Verkaufsanhänger. Wobei sich das Kriterium „geeignet“ lediglich auf den Preis bezog.

Unsere Finanzplanung hatte bis zu 3.000 Mark für einen Hänger vorgesehen. Die Einrichtung spielte deshalb keine Rolle. Da Verkaufswagen aber meist mit dazugehörigen Standplätzen verkauft wurden, die dem zukünftigen Besitzer ein laufendes Gewerbe bescherten, lagen die Preise weit über unserem Budget.

Wir suchten und suchten. Aber außer einem fahrenden Quadratmeter für Crêpes, der mich nicht nur äußerlich an das alte Plumpsklo auf dem Bauernhof meiner Großeltern erinnerte, fanden wir keinen Anhänger, den wir uns hätten leisten können.

Als wir eines Tages schon total resigniert durch die Mönckebergstraße spazierten und uns den Kopf darüber zerbrachen, was wir alternativ tun könnten, um Geld zu verdienen, kam die rettende Idee fast wie von alleine.

An der Seite, kurz vor einer Bank, hatte sich ein Kreis Schaulustiger gebildet. Automatisch steuerten wir auf die Gruppe zu. Aus der Mitte schallte Musik. Elvis Presleys „Hound Dog”. Mein Interesse war geweckt. Mit lang gestrecktem Hals erkannte ich, dass in der Mitte ein älterer Herr mit geschickten Händen einer Marionette Leben einhauchte.

Seine Puppe war nicht besonders hübsch. Es war ein selbstgebautes Skelett, dessen Knochen in einem schmutzigen Grau gefärbt waren. Aber es war auch nicht die Puppe selbst, die die Leute fasziniert zuschauen ließ. Es war vor allem die Art, wie sie gespielt wurde.

Das Skelett nahm fast menschliche Züge an, als es in seinen leeren Hut blickte und dann kopfschüttelnd die Menge anstarrte. Zwei junge Kerle zeigten lachend auf die Puppe. Gleichzeitig lief ein kleines Mädchen auf den kleinen Fratz zu und streichelte sanft seinen Kopf. Als eine Gruppe schick angezogener Damen dies beobachtete, legten sie fast synchron ihren Kopf zur Seite. Eine von ihnen hatte sogar feuchte Augen.

Das war der magische Moment, an dem die Leute im Publikum ihr Portemonnaie zückten und dem immer noch am Boden liegenden und mit seinem Schicksal hadernden Skelett ein paar Münzen in seinen Hut warfen. Danach sang der kleine Fratz weiter. Natürlich Playback. Und wieder ein Song von Elvis. Das Publikum tobte. Mona zog mich aufgeregt zur Seite.

„Das ist es“, flüsterte sie hysterisch.

Ich starrte sie an. Da kam sicher noch was.

„Puppen!“, erklärte Mona.

„Puppen?“

Mir war klar, dass sich das jetzt wieder zu so etwas wie unserem „Würstchengespräch“ entwickeln würde.

„Wir machen Straßentheater. So wie der da. Dafür braucht man keine Genehmigung.“

Gut, das war eindeutig kein Würstchengespräch, aber mindestens genauso durchgeknallt.

„Bist du da sicher?“, fragte ich Mona und sah noch einmal zu dem Kreis Menschen rüber, der mittlerweile applaudierte.

„Nein, natürlich nicht. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass man da eine Genehmigung für braucht. Das sind Leute, die durch ganz Europa reisen und überall nur ein paar Tage bleiben.“

Der alte Mann wirkte in seinem zerknitterten Anzug tatsächlich nicht so, als ob er sich gerne mit Behörden herumschlagen würde. Wahrscheinlich brauchte man wirklich keine Genehmigung, um sich an den Straßenrand zu stellen und eine Marionette singen zu lassen.

„Ich glaube aber nicht, dass man das eben mal so schnell lernen kann. Das ist ein richtiger Puppenspieler. Ein echter Künstler“, warf ich ein.

Aber ihre Idee war auch nicht ganz schlecht. Die Marionette war nur nicht die richtige Puppe für uns.

„Erinnerst du dich an meine Schnecke?“, fragte ich jetzt ganz aufgeregt. „Das ist eine Handpuppe. Die ist voll süß. Viel süßer als das olle Skelett. Wenn man die nimmt und mit ihr ein paar Lieder von Whitney Houston einstudiert, so eine Art Mini-Playback-Show, dann kann man damit sicher auch Geld verdienen. Glaubst du nicht?“

Mona beobachtete, wie sich der Kreis Zuschauer auflöste. Sie überlegte.

„Ja, schon. Vielleicht nicht so viel wie der Marionettenspieler. Aber bestimmt genug, dass es erst einmal zum Leben reicht. Zumindest, bis wir was anderes gefunden haben.“

Gemeinsam sahen wir zum Puppenspieler rüber. Der alte Mann legte sein Skelett sorgsam, wie einen kleinen Freund, in einen Koffer, warf danach seine verdienten Münzen in seine Hosentasche und packte dann seine Sachen zusammen. Er sah die Straße einmal auf und ab. Dann steckte er sich eine Zigarette in den Mund und wartete.

Wie sah sein Leben wohl aus? Reiste er wirklich jeden Tag von einem Ort zum anderen? Wie fühlte sich so ein Leben an? Wo war seine Familie? Und wie hielt er den Kontakt mit seinen Freunden? Dutzende Fragen kreisten durch meinen Kopf. Ich schmunzelte bei dem Gedanken daran, dass ich auch in der Freizeit meinen Job nicht ganz abstreifen konnte. Aber dann stellte ich fest, dass es gar nicht die Journalistin in mir war, die diese Fragen stellte.

Ich atmete tief ein. Worauf hatte ich mich da eingelassen?


Das Schicksal meinte es gut mit uns. Zumindest formulierte Mona das so, die an solche Dinge wie Schicksal und Bestimmung glaubte. Drei Wochen vor unserem geplanten Aufbruch in Richtung Spanien entdeckte sie einen Hänger in einer Zeitung, der preislich gerade eben noch in unser Budget passte. Auch vom Alter her konnte er mit Woody gut mithalten.

Am darauffolgenden Samstag fuhren wir in ein kleines, abgelegenes Industriegebiet kurz hinter Harburg, in dem eine Gruppe Schausteller ihr Winterlager aufgebaut hatte. Zahlreiche Mobilheime, die in ihrer Größe mit meiner 3-Zimmer-Wohnung durchaus mithalten konnten, reihten sich geordnet neben­einander. Da es auf diesem Platz keine genauen Adressen gab, fragten wir uns durch, bis wir zu dem großen Wohnanhänger der Familie Silva gelangten. Das ältere Ehepaar schien uns schon erwartet zu haben. Höflich baten sie uns in ihr Heim. Das Aroma frisch gekochten Kaffees kroch aus der offenstehenden Wohnwagentür. Wie konnte ich zu einer solchen Einladung nein sagen.

Zugegebenermaßen war ich auch ein wenig neugierig auf die Innenausstattung solcher Mobilheime. Die Schausteller lebten das ganze Jahr über in diesen Häuschen, die sie nach Belieben in jeder Stadt aufbauen konnten. Heimlich versuchte ich, meine Neugier zu befriedigen und in die offenstehenden Türen zu linsen. Das Ehepaar bemerkte meine kläglichen Versuche, verstohlen um die Ecken zu spähen, und statt einer angemessen Schelte erhielten wir eine Besichtigung des ganzen Hauses.

Ich hätte mir vorher nicht vorstellen können, dass eine Schrankwand in einem solchen Anhänger Platz finden würde. Aber das tat sie. Ihr Schlafzimmer war genauso groß wie meins, im Badezimmer fehlte auch nichts und ihren Geschirrspüler nutzten sie wahrscheinlich häufiger als ich meinen.

Die Einrichtung des Wohnzimmers erinnerte mich an die gute Stube meiner Großmutter, die vom Alter her zu den beiden passte. Auf dem Fußboden lag ein mittelgroßer Perser, der seine besten Tage hinter sich hatte und auf dem nun der Couchtisch eingedeckt auf seine Gäste wartete. Das blattgrüne Sofa und die dazugehörigen Sessel waren so in dem kleinen Raum angeordnet, dass fünf Leute bequem darauf Platz nehmen konnten und sie zudem einen guten Ausblick auf den riesigen Fernseher hatten, der in der gegenüberliegenden Schrankwand aus Nussbaumimitat aufgestellt war.

Zum Kaffee gab es selbstgebackenen Apfelkuchen. Ich verdrückte zwei Stück davon. Zimt war eines von diesen Suchtmitteln, denen ich nicht widerstehen konnte. Mona streifte mich mit einem vorwurfsvollen Blick. Ich hatte allerdings nicht das Gefühl, dass ich den angebotenen Kuchen ausschlagen sollte. Das Ehepaar Silva wirkte sehr herzlich und genoss offensichtlich unseren Besuch. Sie erzählten von ihren Kindern, die das große Fahrgeschäft, ein Karussell für Jugendliche, bei dessen Besuch mir wahrscheinlich schlecht geworden wäre, schon seit Jahren führten. Auf der Schrankwand befanden sich viele gerahmte Fotos. Eins davon zeigte ihren Sohn, der vor einem bunt beleuchteten Ding posierte. Wahrscheinlich das vererbte Familienunternehmen. Sie stand auf und holte einige dieser Bilder, die sie uns zeigte und mit kleinen Anekdoten dekorierte.

Nach dem Kaffeekränzchen führte uns der ältere Herr hinaus, um uns den Hänger zu präsentieren. Von außen war der Verkaufsanhänger wie ein rustikales Fachwerkhaus bemalt. Herr Silva erzählte, dass sie daraus in den letzten zwei Jahren saure Gurken auf Jahrmärkten verkauft hatten. Obwohl sie ihr Leben lang von einer Kirmes zur nächsten gefahren waren, so Herr Silva, hatten sie nun keine Lust mehr dazu. Sie waren schließlich alt genug, um ihren Ruhestand, wie er hinzufügte, endlich auch genießen zu können.

Die Ausstattung war sehr spartanisch. Neben einem großen Verkaufsfenster und einem eingebauten Glastresen gehörten noch ein uralter Kühlschrank mit winzigem Gefrierfach und ein Stromzähler zur Inneneinrichtung. Der Preis lag mit 3.000 Mark gerade noch in unserem Budget. Wir entscheiden uns sofort für das rustikale Gurkenmobil. Schließlich waren unsere fehlenden Alternativen und die davonlaufende Zeit die besten Verkaufsargumente für den Hänger der Familie Silva.


Wir zählten jetzt nicht mehr die Wochen bis zu unserer Abfahrt, sondern nur noch die Tage. Mona hatte ihre Wohnung bereits seit letztem Monat untervermietet. Sie wohnte jetzt bei mir. Das sparte nicht nur Geld, sondern war vor allem deshalb praktisch, weil wir nun in die Endphase unserer Vorbereitungen eingetreten waren. Jeden Abend besprachen wir die kommenden Schritte, die es noch zu erledigen gab. Da Mona auch schon ein paar Wochen vor mir mit ihrem Job aufgehört hatte, war sie die Hauptverantwortliche zu dieser Zeit. Sie war es auch, die sich trotz Zeitdrucks dafür entschied, den Hänger, der mittlerweile auf den Namen Daisygetauft war, in einer anderen Farbe anzumalen. Eigentlich war es nicht die Entscheidung für eine neue Farbe, die zu Daisys äußerem Wandel führte, sondern Monas Weigerung, mit einem fahrenden Fachwerkhaus im Schlepptau Europa zu durchqueren. Mona suchte den Farbton aus, kratzte die alten Farbschichten von Daisy herunter und lackierte den Hänger neu.

Als ich nach meiner Arbeit Mona beim Anstreichen von Daisy auf dem Parkplatz besuchen wollte, strahlte der Hänger mir schon aus einem halben Kilometer Entfernung entgegen.

„Wow“, sagte ich, fast sprachlos. Aber auch nur fast.

„Wie hieß die Farbe noch mal?“, fragte ich vorsichtig.

„Apricot“, antwortete Mona. „Hübsch, nicht?“

„Apricot?“

Ich ging um den Hänger herum. Die Farbe gefiel mir. Als T‑Shirt oder vielleicht auch als Sneaker. Aber als Hänger?

„Ein wenig auffällig, findest du nicht?“

„Nö, wieso?“, fragte Mona, die in der einen Hand immer noch den Pinsel hielt und in der anderen die fast leere Farbdose.

„Na, weil das kein Apricot ist.“

Mona blickte auf die Dose.

„Doch. Da steht es. Apricot.“

„Okay, nennen wir es apricot. Aber es ist orange. Es ist eine riesige Orange auf Rädern. Ungefähr so unauffällig wie eine überdimensionalgroße Signalboje. Aber wir nennen es apricot.“

Mona sah von mir zu Daisy und wieder zurück.

„Dir gefällt es nicht?“

Ihr war die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben.

„Nein, nein, so habe ich es doch nicht gemeint“, versuchte ich zu retten, was noch zu retten war.

„Ich dachte bloß, dass selbst das Fachwerkdesign noch unauffälliger war. Roter Bus und orangener Hänger. Wir sehen aus wie ein fahrender Zirkus.“

„Gut“, sagte Mona strahlend.

„Gut?“

„Ja. Warum nicht? Schließlich sind wir ja jetzt auch so etwas wie fahrende Leute. Oder etwa nicht?“

Das stimmte. Aber mussten wir das unbedingt so demonstrativ zur Schau stellen? Mona gesellte sich neben mich. Gemeinsam sahen wir Daisy an, die in der langsam untergehenden Abendsonne immer noch einen Funken Licht in unsere Welt brachte.

„Apricot“, sagte Mona. „Ich find’ es schön.“

Allmählich verstand ich, was sie meinte.


Die letzten Tage rieselten wie Sand durch unsere Finger. Wir kauften Dutzende von Würstchendosen, deutschen Filterkaffee, Plastikbesteck und -geschirr, einen riesigen Kochtopf, Fertignudelgerichte und Heringe in Tomatensoße in großen Mengen als günstige Verpflegung für uns, Wasserkanister, einen lauten mobilen CD-Player, der mich an einen „Ghettoblaster“ erinnerte, den ich in den 80ern gehabt hatte, Bastelmaterial für Marionetten, Stoff für neue Gardinen und PVC für den Boden von Woody, eine Anhängerdiebstahlsicherung und vieles mehr. Ähnlich wie die Tage rieselte auch das Geld durch unsere Finger. Immer, wenn wir dachten, dass wir mit unseren Einkäufen fertig wären, kam noch etwas dazu.

Manchmal schien es so, dass unsere Arbeitsliste von Tag zu Tag nicht kürzer, sondern länger wurde. Der Hänger füllte sich mit Fahrrädern, Campingmöbeln, einem weiteren Kühlschrank, Winterklamotten, einem Grill, vollen und leeren Wasserkanistern, einer Werkzeugkiste für den Notfall, 10 Liter Motorenöl, all unseren eingekauften Lebensmitteln und noch vielem anderen Zeugs.

Gleichzeitig räumte ich den Inhalt meiner Wohnung auf meinen Dachboden. Glücklicherweise hatte ich einen Untermieter gefunden, der meine Wohnung möbliert mieten wollte. So musste ich nur Kisten auf den Boden schleppen, in denen ich alle Sachen verstaute, die ich in den vergangenen Jahren in meiner Wohnung angesammelt hatte. Und das reichte. Als ich damit fertig war und nur noch die Möbel wie Skelette in meiner Wohnung standen, war mein Dachboden randvoll. Ich kriegte gerade noch die Tür zu.

„Das war es“, sagte Mona, die mir beim Rauftragen der Kisten geholfen hatte. Ich sah auf die Tür aus Maschendraht, hinter der all mein Besitz in Kisten verstaut auf meine Rückkehr wartete. Mein Leben passte in eine Abstellkammer.

„Wenn du jetzt etwas vergessen hast, dann holst du es da alleine wieder raus“, sagte Mona grinsend.

Die letzte Nacht vor unserer Abfahrt nach Spanien lag vor uns. Das wollten wir noch ein wenig feiern. Mona hatte wieder den Rioja besorgt, den sie bereits zu meinem Geburtstag mitgebracht hatte, als vor vier Monaten unser Plan, nach Spanien zu gehen, seine Geburtsstunde hatte.

Mir war ein wenig mulmig zumute. Auch wenn ich immer wieder von einer Welle der Euphorie gepackt wurde, brauchte ich nie lange darauf zu warten, dass das kleine Monster Angst wieder auftauchte. Was wäre, wenn wir es nicht schafften? Was wäre, wenn wir bereits auf dem Weg nach Spanien mit dem Bus liegen blieben, weil eine Achse brach oder Woody den Hänger nicht über die Berge ziehen konnte? Was wäre wenn?

Aber darüber wollte ich nicht nachdenken. Nicht jetzt.

Mona hatte bereits den Wein entkorkt und die Gläser gefüllt. Wir hatten wieder Chips und Schokolade neben uns liegen, fast so, wie vor vier Monaten. Fast ein Déjà-vu.

„Bist du aufgeregt?“, hallte meine Stimme durch den Raum.

„Du etwa nicht?“, fragte Mona zurück.

Monate der Vorbereitung lagen hinter uns. Ich fragte mich, ob wir auch an alles gedacht hatten. Ob wir alles gut genug geplant hatten. Ob meine Listen auch vollständig gewesen waren. Aber so gut man sich auch vorbereitete, es war und blieb eine Reise ins Ungewisse.

„Wir haben solvente Mieter gefunden“, sagte ich mehr zu mir als zu Mona.

„Das ist wichtig“, sagte Mona lächelnd, die zeitgleich am Wein nippte.

„Ich habe die Bestätigung der Auslandskrankenkasse, den neuen Personalausweis und die grünen Versicherungskarten für beide Fahrzeuge schon in meinen Rucksack gepackt“, sagte ich zu Mona.

„Und die Kreditkarte?“, fragte meine Freundin, bevor sie sich eine Handvoll Chips in den Mund stopfte.

Mein Magen zog sich zusammen. Mona hatte den wunden Punkt getroffen.

„Ja, hab’ ich. Aber viel gibt es da nicht mehr. Die Ausgaben der vergangenen Wochen haben ein ziemliches Loch in unsere Finanzplanung gerissen.“

Ich schob Mona die entsprechende Liste rüber. Wir hatten unser Limit mehr als nur leicht überzogen. Wir waren so gut wie abgebrannt. In unserem Portemonnaie befanden sich nur noch die paar Scheine, die für den Sprit eingeplant waren. Große Pannen mit den Fahrzeugen durften uns jetzt auf gar keinen Fall passieren. Wir mussten sogar schon auf die Autobahn in Frankreich verzichten, weil die Maut einfach nicht mehr drin war.

Mona überflog die Liste und griff zur Pfefferminzschokolade.

„Das klappt schon!“, versicherte sie mir. „Man muss nur daran glauben. Positives Visualisieren. Schon mal davon gehört?“

Ich schüttelte den Kopf. Aber statt Mona zuzuhören, die von selbsterfüllender Prophezeiung monologisierte, drifteten meine Gedanken woanders hin ab. Warum ging ich nach Spanien? Was erwartete ich eigentlich dort?

Ich wusste es nicht. Ich wollte die Monotonie aus meinem Leben vertreiben, hatte aber keine Ahnung, was an ihre Stelle treten sollte. Meinen Job als Journalistin fand ich vom Prinzip her gar nicht so schlecht. Ich mochte das Schreiben. Ich liebte es sogar. Was mich jedoch so verzweifeln ließ, waren die Themen, die auf meinem Schreibtisch landeten. Wer interessierte sich schon für einen weggeflogenen Wellensittich? Oder die neue Wasserdiät aus Usbekistan? Ich wollte über wichtige Dinge schreiben. Dinge, die unsere Welt verändern konnten. Und nun war ich auf dem Weg nach Spanien, um Würstchen zu verkaufen. Oder noch schlimmer, um mit einer singenden Handpuppe am Straßenrand ein paar Münzen abzugreifen. War das der Weg, den ich mir für mein Leben wünschte?

„Karen? Ka-ren?“

„Ja“, schoss ich aus meinen Gedanken auf.

„Hast du mir überhaupt zugehört?“ Monas Stirn kräuselte sich. Ich seufzte.

„Am Anfang schon. Aber du weißt doch, dass ich auf so ein esoterisches Zeugs nicht stehe.“

„Das ist kein esoterisches Zeugs, sondern wissenschaftlich erwiesen. Also, denk’ positiv! Sonst bist du Schuld, wenn das mit Spanien danebengeht.“

Mein Kopf nickte von alleine. Schuld wollte ich nun wirklich nicht haben. Und deshalb nahm ich mir vor, positiv zu denken.


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